
Stadt und Wohnen


ELEPHANTENGRAS UND SOZIALES GEFÜGE
Elephantengras ist ein Schilfrohr, das oft an sumpfigen Flussufern wächst. In México spricht man diesbezüglich von Jarillas. Tlacotal ist Nahuatl, die Sprache der Azteken und bedeutet Ort, an dem Jarillas wachsen. Tlacotal gehört zum Munizip Iztacalco, im Südosten von Mexiko-Stadt gelegen. Der Miramontes-Fluss, das damalige Wahrzeichen von Tlacotal, wurde kanalisiert und fliesst mittlerweile unterirdisch, aber Jarillas wachsen immer noch und zwar im Ökogarten des Kultur- und Nachbarschaftszentrums, welches nach dem Elephantengras benannt wurde, Las Jarillas. Dieses Kulturzentrum ist ein Hotspot von Mexiko Stadt, wenn die Sprache auf Quartier-Comunity, Selbstverwaltung und Kulturarbeit in Richtung städtische Identität kommt. Entwicklung und Selbstbestimmtes Kulturleben, ganz nah an der sozialen Realität der Menschen, die hier leben und wo die dritte Generation langsam einsteigt. Das Kollektiv macht vor, wie man wirksam für das Recht auf Stadt eintritt und allen Vereinnahmungsversuchen getrotzt hat.


STÄDTE NEU DENKEN
Können wir uns eine Zukunft vorstellen, in der jede Stadt und ihre Bürger eine tiefe Verbundenheit mit ihrer Umgebung, Geschichte, ihrem Erbe, ihrer Kultur, ihren Wissenssystemen und den Gemeingütern beanspruchen? Eine Zukunft, in der jeder Einzelne eine gesellige und mitfühlende Beziehung zueinander und zum Rest der Natur hat? Eine Zukunft, in der sich um seine Menschen gekümmert wird und die auf dem Weg zu einer integrativeren und gerechteren Welt ist? Dieser Artikel versucht, einige der Aktivitäten und Prozesse zu untersuchen, die in einem städtischen Raum von einer individuellen Aktionsebene bis zur Gemeinschaftsebene und einer Governance-Ebene ausgearbeitet werden können, um dasselbe durch einige der bestehenden Initiativen im Land zu erreichen.

Etabliert Anti
Ein pragmatisches Leitungsteam und hochmotivierter Nachwuchs sorgen dafür, dass der mittlerweile in die Jahre gekommene Verein Fabrik für Handwerk, Kultur und Ökologie e.V. nicht unter dem alternativwirtschaftlichen Talar zu muffen beginnt.

Mut zur Lücke
Ein Verein junger Gestalter*innen findet Platz, wo auf den ersten Blick keiner zu sein scheint. Dort schaffen sie Orte der Begegnung, des Erlebens und des Austauschs und transformieren die Strukturen ihrer Heimatstadt.
Stuttgart. Eine eingekesselte Stadt in Baden-Württemberg mit fraglichem Ruf. Deutschlandweit der meiste Stau, der die Luft verpestet, ein Bahnhof, der umstrittener kaum sein könnte (Stuttgart21), Mietpreise, die durch die Decke gehen, Wohnraumknappheit, kein Platz. Dieses Bild dominierte zumindest vor einigen Jahren in der Öffentlichkeit. „Komplett privatisiert“ sei die Stadt gewesen, sagt Hanna, „es gab gefühlt keine Möglichkeit zum Gestalten.“ Seitdem hat sich das Aussehen von Stuttgart deutlich verschönert. Und daran war Hanna maßgeblich beteiligt. Im Rahmen ihrer Masterarbeit setzten die Architektur-Studentin und ihr Kommilitone Sebastian sich vor etwa fünf Jahren mit Urban Commons auseinander, also Gemeinschaftsflächen im Stadtraum. Wo kann man diese in einer so zugebauten Stadt schaffen? Wie können junge Menschen ohne großes finanzielles Budget sich in die Stadtgestaltung einbringen? Und sie fanden Platz. Wenn auch im übertragenen Sinne.
Denn Baulücken, preislich erschwingliche zumindest, offenbarten sich den beiden Studierenden bei ihrer Recherche kaum. Stattdessen fanden sie Zeitlücken, Wissenslücken, Kommunikationslücken und dergleichen mehr. In einem offenen Diskursformat luden Hanna und Sebastian andere Interessierte monatlich zum „Lücken sammeln“ ein. Der Andrang war groß, was angesichts der insgesamt drei Architekturfakultäten in Stuttgart nicht überraschte. Auch Sarah studierte an einer dieser drei Fakultäten und nahm damals an den Diskussionsrunden teil. „In den Gesprächen hat sich schnell eine Mutterlücke rauskristallisiert“, erinnert sich die ehemalige Studentin. Diese Lücke, die immer wieder genannt wurde, war der Österreichische Platz.
Wie eine Lücke wirkt der Platz erst mal gar nicht, er ist riesig und zentral, Knotenpunkt zwischen Zentrum und südlichem Teil der Stadt. Überdacht ist er von zwei Hauptverkehrsstraßen, gerahmt von einer katholischen Kirche und dem Gebäude einer großen Versicherung, außerdem Treffpunkt vieler Obdachloser. „Ein spannender Ort, sehr aktiv und hybrid“, erzählt Sarah. Und doch klaffte dort vor einigen Jahren noch eine Wissens- und Kommunikationslücke. „Jeder kannte die gleichnamige U-Bahn-Station. Aber niemand kannte den Platz selbst“, sagt Hanna. Das mag daran liegen, dass der Österreichische Platz zwar der Stadt gehört, aber über dreißig Jahre lang an eine Parkplatzfirma verpachtet wurde. Lediglich eine kleine freie Fläche blieb neben dem Parkplatz. Eine Lücke, von der aus Hanna, Sarah, Sebastian und das Kollektiv begannen, das Stadtgeschehen aufzumischen. Der gemeinnützige Verein Stadtlücken wurde geboren.
Ziel des Vereins ist es nicht etwa, Lücken zu füllen. Die Stadt sei ohnehin schon eng genug. Ganz im Gegenteil geht es den Aktiven um die Öffnung der gefundenen Lücken. Diese also sichtbar und den ungenutzten Raum für Menschen und deren Bedürfnisse zugänglich und nutzbar zu machen, wie es auf der Website des Vereins heißt. „Wir sehen darin die Chance, für gemeinsamen Raum und für das Recht auf Stadt ein Bewusstsein zu schaffen“, schreiben sie. Das versucht das Team auf eine zugängliche Art zu machen, mit witzigen Ideen, Irritationen – und vor allem mit ansprechendem Design.
„Gestaltung hat was mit Wertschätzung zu tun“, sagt Hanna. Und Sarah ergänzt: „Es braucht sorgfältiges Design von Prozessen, um Interesse zu wecken. Einfach Ikea-Möbel in den öffentlichen Raum zu stellen und sich dann hinzusetzen, reicht nicht.“ Um die Aufmerksamkeit der Stadtbewohnenden auf den Österreichischen Platz zu lenken, entwarfen und bauten die jungen Gestalter*innen beispielsweise einen Souvenirshop. Fortan halfen liebevoll gestaltete Andenken wie Schals, Jutebeutel und Bierdeckel Stuttgarter*innen dabei, sich an einen Ort zu erinnern, den die meisten von ihnen zuvor nicht gekannt hatten.
Anders als in üblichen Souvenirshops wurden die Erinnerungsstücke nicht verkauft, sondern wanderten gegen eine freiwillige Spende über die Theke. Alle Aktionen von Stadtlücken sind grundsätzlich kostenlos, damit sie so vielen Menschen wie möglich zugänglich sind. Eine weitere Devise des Vereins: Nie zu Ende designen, sondern Prozesse offen lassen. So lagen beim Souvenirshop auch Ideenkarten aus. „Was könnte hier besser sein?“, stand darauf und eine Sammlung von Verbesserungsvorschlägen für den Österreichischen Platz, über die man vor Ort und online abstimmen konnte. Innerhalb weniger Tage wurde 12.000 Mal abgestimmt, am Ende machte ein Skatepark das Rennen.
Auch darüber hinaus waren und sind alle eingeladen, sich einzubringen. „Wir haben Fläche und Strom. Wer hat Bock was zu machen?“, fasst Hanna die Herangehensweise des Vereins zusammen. In den zwei Wochen, die Stadtlücken zunächst auf dem Österreichischen Platz vor Ort war, wurden Lichtshows und Kräuterführungen veranstaltet, Schüler vom benachbarten Gymnasium kuratierten eigens eine Ausstellung. Und mit den Mitgliedern der katholischen St. Maria-Kirche, die den Aktiven Kaffee vorbeibrachten, ergab sich gleich die nächste Kooperation.
Während zwei Wochen im folgenden Jahr wurden die Räumlichkeiten des Gotteshauses zur Kulisse eines kunterbunten Programms. Ein Trampolin wurde dort aufgebaut, ein DJ legte Tunes auf, es wurde Tango getanzt. Alles nacheinander, versteht sich. „Natürlich fanden auch Gottesdienste statt“, sagt Sarah. „Aber die waren interaktiv gestaltet, mit einem Runden Tisch, an dem die Zukunft der St. Maria-Kirche diskutiert wurde.“
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„Was passiert hier“ auf dem Österreichischen Platz in Stuttgart? -
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Souvenirs kaufen konnte man zum Beispiel. -
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Oder gemeinsam speisen – Prä-Corona. -
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Freiraum fanden die Stadtlücken auch in der St.-Maria-Kirche. -
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Wer keine Lust auf reden hatte, konnte stattdessen Trampolin springen. -
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Auch auf dem Österreichischen Platz kann man sich auspowern – an der ersten öffentlichen Bouldergelegenheit in Stuttgart-Mitte. -
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Um anschließend wieder die Muße zum Reden zu haben. Beim Format „Einmal im Monat – wem gehört die Stadt?“. Hier am Ufer des Neckars.
Immer wieder möchten die Stadtlücken Menschen einladen, sich als Teil des Öffentlichen Raumes zu verstehen und sich in dessen Gestaltung einzubringen. Ein Konzept, das funktioniert und begeistert, auch über die Stadtgrenzen hinaus. So habe die Aktion in der St.-Maria-Kirche zum Beispiel in der gesamten katholischen Gemeinde Süddeutschlands positive Resonanz erfahren. Und auch mit ähnlichen Projekten vernetzen die jungen Gestalterinnen und Aktivisten sich fleißig, Hanna und Sarah nennen das Platzprojekt in Hannover und das Kollektiv Raumstation mit Sitzen in Weimar, Berlin und Wien. Aber zurück nach Stuttgart. Dort, in seiner Heimat, hat der junge Verein schon ordentlich aufgeräumt mit den verstaubten Strukturen der verspekulierten Stadt.
Wie sehr, das sieht man auf den ersten Blick nicht unbedingt. Betritt man den Österreichischen Platz heute, ist von dem wuseligen Experimentierfeld, das den Platz immerhin eineinhalb Jahre mit Leben füllte, nicht mehr viel zu sehen. Ende 2019 war das Experimentieren vorerst beendet, es bleiben zwei Tischtennisplatten und die erste öffentliche Bouldergelegenheit in Stuttgart-Mitte. Ein eher ruhigerer Ort, der neue Ösi. Aber hinter den Kulissen geht es seitdem rund. Ein „Amt für Öffentlichen Raum“ soll auf dem Österreichischen Platz entstehen, über eine Million Euro Fördergelder haben die Stadtlücken für die (Weiter-)Entwicklung ihres Gesamtprojektes erhalten. „Wir sind im Mainstream der Stadtplanung angekommen“, sagt Sarah mit einem Grinsen. In einer einjährigen Pause werden nun Strukturen für diese „Interessensvertretung für öffentlichen Stadtraum“ erarbeitet. Teilweise seien das ganz schön langwierige Prozesse, sagt Hanna. Aber langweilig wird den Gestaltenden des Öffentlichen Raums dabei nicht – die nächste Lücke ist schon gefunden, mitten im Fluss diesmal. Auf der Neckarinsel („Ja, tatsächlich hat Stuttgart einen Fluss!“) wird im Rahmen des Diskussionsformats „Einmal im Monat – Wem gehört die Stadt?“ unter anderem darüber diskutiert, wem der Fluss gehört, wem er gehören sollte und wie man seine Ufer als Möglichkeitsräume nutzen kann. Während Corona finden die Veranstaltungen online auf Zoom statt. Eingeladen sind dazu – natürlich – alle.

Um- und aufbrueche in Zeiten der Pandemie
Statt Carepakete zu verteilen, beschloss Muyu Chakana, eine in der Pandemie gegründete ekuatorianische Stiftung, die Ausnahmesituation als Chance zu begreifen. Sie wollte nicht nur kurzgreifenden Hilfe leisten, sondern Familiengärten fördern und einheimisches Saatgut bereitstellen. Dieses Projekt hilft besser zu verstehen, welche Bedeutung autochthones Saatgut und Gemüsegärten haben, wie sie das Leben verändern und was Jugendbanden und Permakultur gemeinsam haben.

Westliche Architektur verschlimmert Indiens Hitzewellen

Robert Nickelsberg/Getty Images
Benny Kuriakose erinnert sich, als sein Vater in seinem Dorf im südindischen Bundesstaat Kerala das erste Haus mit Betondach baute. Es war 1968, und die Familie war stolz darauf, das Material zu verwenden, das unter den Dorfbewohnern zum „Statussymbol“ wurde: Das neue Zuhause ähnelte den modernen Gebäuden, die in indischen Städten auftauchten, die wiederum denen in westlichen Bildern ähnelten Städte.
Aber drinnen war das Haus schwül. Der Massivbeton nahm tagsüber Wärme auf und strahlte sie nachts ins Innere ab. In der Zwischenzeit blieben benachbarte reetgedeckte Häuser kühl: Die Luft, die zwischen den Lücken im Reet eingeschlossen war, war ein schlechter Wärmeleiter.
Die Erfahrung der Kuriakoses war ein früher Vorgeschmack auf ein Phänomen, das sich in den nächsten Jahrzehnten in den meisten großen Städten Indiens ausbreitete. Als ein standardisierterer internationaler Ansatz für die Gebäudeplanung aufkam, gaben viele indische Architekten die einheimischen Traditionen auf, die sich über Jahrtausende entwickelt hatten, um mit den Wetterextremen verschiedener Regionen fertig zu werden. Die Erdwände und schattigen Veranden des feuchten Südens und die dicken Isolierwände und komplizierten Fensterjalousien des heißen, trockenen Nordwestens wurden gegen einen kastenförmigen modernen Stil ausgetauscht. Heute sehen Gebäude in der Innenstadt von Bangalore oft aus wie die in Ahmedabad im Norden oder Chennai im Osten – oder die in Cincinnati, Ohio, oder Manchester, England.
„In den meisten Städten sind die Menschen blind dem westlichen Modell gefolgt“, sagt Kuriakose, ein Architekt, der jetzt in Chennai lebt. „Es wurde nicht versucht, das lokale Klima zu betrachten. Es wurde nicht versucht, sich die verfügbaren Materialien anzusehen.“
In der Ära des Klimawandels sieht diese Einheitlichkeit wie ein Fehler aus. Große Teile Indiens werden seit April von einer Frühlingshitzewelle erstickt, mit Temperaturen, die an einigen Orten wochenlang nahe bei 110 ° F verweilen und diese Woche in Delhi über 120 ° F liegen, was es gefährlich macht, zur Arbeit oder zur Schule zu gehen – alle Wochen vor dem offiziellen Sommeranfang. Der steigende Energiebedarf für die Kühlung hat dazu beigetragen, tägliche Stromausfälle in Städten auszulösen, und die laufenden Klimaanlagen blasen heiße Luft in die Straßen, was den städtischen Wärmeinseleffekt verschlimmert. Da solche Hitzewellen immer häufiger und länger andauern, sagen Experten, dass Indiens moderner Gebäudebestand es den Indern erschweren wird, sich anzupassen.
Umweltschützer fordern ein grundlegendes Umdenken beim Städtebau in Indien. Es gibt einige positive Anzeichen. Eine wachsende Zahl nachhaltigkeitsbewusster Architekten lässt traditionelle Ansätze wieder aufleben. Und im Februar versprach die indische Regierung, die Stadtplanungsrichtlinien und Investitionen zu überarbeiten, um Planer darin zu schulen, Städte besser zu gestalten. Der Fortschritt ist jedoch langsam, sagt Aromar Revi, Direktor des Indian Institute for Human Settlements (IIHS), einer forschungsorientierten Universität. „Wir müssen im Wesentlichen die gesamte Struktur unserer Städte beeinflussen, von der Planung über die Landnutzung und den Bau bis hin zu den Verkehrssystemen“, sagt er. „Wir stehen erst am Anfang dieses Gesprächs.“

Indranil Aditya/NurPhoto—Getty Images
Wie traditionelle Architektur in indischen Städten an Boden verlor
Die Architektur indischer Städte begann sich in den 1990er Jahren, als das Land zu einer marktbasierten Wirtschaft überging, schnell zu verändern. Mit dem Bauboom wurden westliche oder globalisierte Stile zur Norm. Die Verschiebung war teilweise ästhetisch; Entwickler bevorzugten die gläsernen Wolkenkratzer und geraden Linien, die in den USA oder Europa als prestigeträchtig galten, und junge Architekten brachten Ideen mit nach Hause, die sie während ihres Studiums im Ausland gelernt hatten. Auch wirtschaftliche Erwägungen spielten eine Rolle. Als das Land in den Städten teurer wurde, bestand der Druck, die Grundfläche zu erweitern, indem dicke Mauern und Innenhöfe beseitigt wurden. Und es war schneller und einfacher, hohe Strukturen aus Stahl und Beton zu errichten, als herkömmliche Erdblöcke zu verwenden, die für niedrigere Strukturen geeignet sind.
Die Konsequenz dieses Cookie-Cutter-Ansatzes war, dass Gebäude weniger widerstandsfähig gegen die hohen Temperaturen in Indien wurden. Die Auswirkung davon schien einmal minimal zu sein. Es konnte leicht durch elektrische Ventilatoren und Klimaanlagen ausgeglichen werden, und die Energiekosten für die Kühlung waren kein Problem der Entwickler, nachdem sie ihre Gebäude verkauft hatten. „Während ein Haus [im landestypischen Stil gebaut] etwa 20 bis 40 Kilowattstunden Energie pro Quadratmeter Energie zum Kühlen benötigt, benötigen manche Gewerbeflächen heute das 15-fache“, sagt Yatin Pandya, ein Architekt aus Ahmedabad. Wenn Klimaanlagen eingeschaltet werden, um den Menschen nachts beim Schlafen zu helfen, geben sie Wärme an die Straßen ab, was die lokale Temperatur laut US-basierten Studien um etwa 2 ° F erhöhen kann. Tagsüber können gläserne Fassaden je nach Ausrichtung Sonnenlicht auf Fußwege reflektieren. „Du schaffst [Probleme] in alle Richtungen.“
Die Abkehr von klimaspezifischer Architektur hat nicht nur Büros und Luxuswohnungen getroffen, deren Eigentümer es sich leisten können, sie zu kühlen. Um den städtischen Raum und das Budget zu maximieren, hat sich ein massives staatliches Wohnungsprogramm, das 2015 gestartet wurde, weitgehend auf Betonrahmen und Flachdächer verlassen, die den ganzen Tag über mehr Wärme absorbieren als geneigte Dächer. „Wir bauen Treibhäuser. Zu bestimmten Jahreszeiten müssen sie gekühlt werden, um bewohnbar zu sein“, sagt Chandra Bhushan, eine in Delhi ansässige Expertin für Umweltpolitik. Er schätzt, dass etwa 90 % der heute im Bau befindlichen Gebäude in einem modernen Stil gehalten sind, der dem Klima einer Region wenig Beachtung schenkt – was ein erhöhtes Hitzerisiko für die kommenden Jahrzehnte einschließt.
Sogar kleine handwerkliche Bauteams, die für die meisten Häuser in Indien verantwortlich sind, haben sich moderneren, standardisierten Stilen zugewandt, sagt Revi, der IIHS-Direktor. Diese Teams haben selten einen ausgebildeten Architekten oder Designer. „Also bauen sie, was sie sehen“, sagt er. „Sie bauen vielleicht traditionelle Elemente in ihre Dorfhäuser ein, aber wenn sie in die Stadt kommen, werden sie von den Zwängen der Stadt, den Imaginationen der Stadt getrieben. Und da ist der internationale Stil der Anspruch.“
Ähnliche Verschiebungen haben sich in Entwicklungsländern auf der ganzen Welt ereignet, wobei Städte vom Nahen Osten bis Lateinamerika die „Copy-and-Paste-Textur der globalisierten Architektur“ übernommen haben, sagt Sandra Piesik, eine in den Niederlanden ansässige Architektin und Autorin von Habitat: Vernacular Architecture für einen sich verändernden Planeten . Als die globale Bauindustrie Beton und Stahl umarmte, wurden lokale Materialien, Designs und Technologien verdrängt – mit dauerhaften Folgen. „Einige dieser traditionellen Methoden haben nicht die technologische Revolution durchlaufen, die sie brauchten“, um sie langlebiger und einfacher in einem massiven städtischen Maßstab zu verwenden, sagt Piesek. „Wir haben uns stattdessen darauf konzentriert, die Verwendung von Beton und Stahl zu perfektionieren.“
Ein Klima-Comeback für die einheimische Architektur
In Indien ist eine Bewegung zur Wiederbelebung regional spezifischerer Architekturstile – und deren Kombination mit modernen Technologien – in vollem Gange. In den letzten zehn Jahren haben Tausende von Architekten, insbesondere in der experimentellen Gemeinde Auroville an der Ostküste des Bundesstaates Tamil Nadu, die Verwendung von Erdwällen und -dächern gefördert; Erde nimmt Wärme und Feuchtigkeit auf und kann nun dank der Entwicklung stabilerer komprimierter Blöcke zum Bau größerer und komplexerer Strukturen verwendet werden. In der trockenen, heißen Stadt Ahmedabad im Norden, die in den letzten Jahrzehnten unter einigen der tödlichsten Hitzewellen des Landes gelitten hat, verwendet Pandyas Firma Footprints EARTH eine sorgfältige Ausrichtung und überhängende Dächer und Wände, um ihre Gebäude vor Hitze zu schützen, und zentrale Innenhöfe zur Belüftung.
„Wir korrigieren jetzt unseren Kurs“, sagt die in Bangalore ansässige Architektin Chitra Vishwanath, die ihr eigenes Haus und Hunderte anderer Gebäude aus Erde gebaut hat. Größere Universitäten lehren Studenten, klimaspezifisch zu bauen, sagt sie, während gemeinnützige und handwerkliche Baufirmen Workshops veranstalten, in denen Architekten und kleine Bauherren diesen Ansatz lehren. „Jüngere Architekten, die heute ihren Abschluss machen, sind extrem klimaempfindlich“, fügt Vishwanath hinzu. „Ich würde sagen, in weiteren 5, 10 Jahren werden nicht mehr so viele Gebäude im westlichen Stil gebaut.“
Eine breitere Einführung klimasensibler Architektur würde den Energiebedarf zum Kühlen von Gebäuden erheblich reduzieren, sagt Vishwanath. Das könnte für Indien in den kommenden Jahren entscheidend sein. Während im Jahr 2018 nur etwa 8 % der Inder eine Klimaanlage in ihren Häusern hatten, wird diese Zahl laut dem National 2019 der Regierung bis 2038 voraussichtlich auf 40 % steigen, da immer mehr Menschen in die Mittelschicht eintreten und sich den Kauf ihres ersten Geräts leisten können Kühlplan . Gesundheitsexperten sagen, dass AC in Indiens zunehmend brutalem Klima nicht länger als „Luxus“ angesehen werden kann und dass die Ausweitung der Nutzung für Haushalte mit niedrigem Einkommen sowohl für die Rettung von Leben als auch für die Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung Indiens von entscheidender Bedeutung ist. Aber es wird mit hohen Kosten in Bezug auf Indiens Treibhausgasemissionen verbunden sein– es sei denn, sauberere Kühltechnologien können schnell entwickelt und eingeführt werden.
Die zunehmende Verwendung traditioneller Materialien in Indiens weitläufigem Bausektor würde auch die Emissionen des Landes belasten. Die einheimische Architektur verwendet eher natürliche, lokal gewonnene Materialien wie Erde oder Holz als Beton und Stahl , die durch kohlenstoffintensive industrielle Prozesse hergestellt und Tausende von Kilometern entfernt transportiert werden. Ein von indischen Forschern im International Journal of Architecture veröffentlichtes Papier aus dem Jahr 2020 ergab, dass die Herstellung von einheimischen Materialien zwischen 0,11 MJ und 18 MJ Energie pro Kilo erforderte, verglichen mit 2,6 MJ bis 360 MJ pro Kilo für moderne Materialien.
Es wäre nicht machbar, alle modernen Materialien, die in Indiens Gebäuden verwendet werden, durch einheimische Gegenstücke zu ersetzen. Obwohl der technologische Fortschritt es möglich macht, größere, mehrstöckige Gebäude mit Erde zu bauen, würde es in einem Wolkenkratzer nicht funktionieren. Und einige traditionelle Merkmale, wie schräge Dächer und detaillierte Fensterjalousien, sind für viele Menschen zu teuer, um sie beim Bau ihres Hauses zu berücksichtigen. Vielleicht am wichtigsten: In Städten ist es aufgrund der hohen Grundstückspreise äußerst schwierig, Platz für Veranden und Höfe zu finden.
Angesichts dieser Herausforderungen sagt Kuriakose, dass die Zukunft der indischen Architektur nicht einfach so sein wird, wie die Dinge vor fünfzig Jahren waren, bevor sein Großvater ihr Betondach installierte. Der Weg in die Zukunft besteht darin, die lokal verwurzelten Problemlösungsstrategien traditioneller Architekten zu kanalisieren. Seine Firma hat zum Beispiel Wege gefunden, traditionelle Schrägdächer zu bauen , die das Abfließen von Wasser ermöglichen
Monsunzeiten und verhindern die Wärmeaufnahme, während einige Elemente Beton enthalten, um sie billiger zu machen. „Wir versuchen, das über Jahrhunderte von Generation zu Generation weitergegebene Wissenssystem zu nutzen“, sagt er. „Nicht blind zu verfolgen, wie die Dorfbewohner früher vorgegangen sind.“
Pandya, der Architekt aus Ahmedabad, drückt es anders aus. „Nachhaltigkeit ist keine Formel – was in Europa funktioniert, funktioniert hier möglicherweise nicht“, sagt er. „Wie ein Arzt muss man den Patienten verstehen, die Symptome, die Bedingungen – bevor man zur Heilung gelangt.“
Erstveröffentlichung von Time am 16. Mai 2022

Wege zum guten (digitalen) Leben für alle – Sozial-ökologische Perspektiven auf digitale Technik in Mobilität, Logistik und Kommunikation
Zum Projekt
Wir sind umgeben von Digitalisierungsprozessen. Digitale Technik dringt in immer mehr Bereiche unseres Lebens und der Gesellschaft ein. Die Auswirkungen dieser Prozesse sind komplex, denn digitale Technik hat nicht nur einen immensen ökologischen Fußabdruck, sondern verändert auch die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren und arbeiten. Sie verschiebt Machtverhältnisse und beeinflusst oft die Möglichkeiten demokratischer Teilhabe. In welche Richtung werden sich diese Digitalisierungsprozesse künftig entwickeln? Oftmals in eine sehr problematische Richtung, wenn wir uns nicht einmischen und in die Gestaltung dieser Zukunft eine kritische sozial-ökologische Perspektive einbringen.
Wir haben uns im Rahmen eines Projekts mit der Frage befasst, wie sich digitale Technik in den Sektoren Mobilität, Logistik und Kommunikation auswirkt und welche alternativen Vorschläge es aus sozial-ökologischer Perspektive zur Gestaltung digitaler Technik in diesen drei Sektoren gibt. Über zwei Jahre haben wir hierzu in unterschiedlichen Formaten mit Expert*innen aus Theorie und Praxis gearbeitet

In Ahmednagar gestalten Bewohner eines Slums ihre eigenen Häuser
Dieses Sanierungsprojekt im Sanjaynagar-Slum in Ahmednagar könnte unsere Denkweise über Gemeinschaften und Räume verändern.