Die Krise als Aufbruch – Die Corona-Pandemie kann ein Startschuss in eine neue Klimapolitik sein (Ulrich Brand und Heinz Högelsberger)
Die Corona-Pandemie kann ein Startschuss in eine neue Klimapolitik sein, finden Ulrich Brand und Heinz Högelsberger
Von Ulrich Brand und Heinz Högelsberger 24.03.2020, 16:42 Uhr Lesedauer: 3 Min.
Wir schreiben das Jahr 2030. Vor zehn Jahren lernte die Gesellschaft, dass sie im Kampf gegen den Coronavirus tagtäglich neue drastische Einschnitte und »Zwangsmaßnahmen« akzeptieren muss. Die Bewegungsfreiheit und der Gestaltungsspielraum der Menschen wurden extrem eingeschränkt, der Alltag musste umorganisiert werden. Flüge wurden eingestellt, Grenzen geschlossen. Statt zu shoppen, befassten die Menschen sich mit anderen Dingen. Die Arbeitslosigkeit stieg stark an. All das passierte in einer funktionierenden Demokratie und wurde von gewählten Regierungen verfügt.
Nicht alle Maßnahmen waren optimal. So wurde statt europäische Gegenstrategien zu entwickeln, nationalstaatlich agiert. Oft hatten die Innenminister mehr als die Gesundheitsminister zu sagen. Die gleichzeitig ablaufende Flüchtlingstragödie wurde gekonnt aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt. Den eingesperrten Geflüchteten in den Lagern wurde die als lebensnotwendig erachtete »soziale Distanzierung« schlicht verwehrt.
Viele Monate waren von großen Entbehrungen und Angst begleitet. Einige Politiker*innen hatten Gefallen am autoritären Regieren mittels Dekrete gefunden. Nach Ende der Krise hatten die Menschen einige Mühe, nicht nur das Leben zu normalisieren, sondern wieder ihre Freiheiten und Rechte zurückzuerlangen. Auch die aufgrund der Wirtschaftskrise angekündigte Schwächung von Umweltauflagen konnte verhindert werden. Dass Autofirmen teilweise auf die Produktion von Beatmungsgeräten umstellten, zeigte die Verschiebung der Prioritäten.
Doch wir sehen im Jahr 2030: Positive Erfahrungen könnten bleiben. Der Flugverkehr wurde auf ein erfreulich niedriges Niveau verringert, globale Güterketten teilweise regionalisiert, der Konsum deutlich reduziert. Nicht auf das Nötigste, sondern – so leuchtete es immer mehr Menschen ein – auf das Sinnvolle. Als Einsicht aufgrund der Krise setzte sich durch, nicht mehr auf möglichst viele und billige Produkte und Arbeitskräfte zuzugreifen oder den Wochenendausflug per Billigflug nach Berlin oder Mallorca cool zu finden. Die dringenden Maßnahmen für Kurzarbeit trafen sich mit den Wünschen vieler Menschen nach Arbeitszeitverkürzung. »Lokal und regional« ist heute, zehn Jahre nach der Coronakrise, längst nicht mehr nur ein Marketingspruch, sondern wurde zu persönlichen Erfahrungen, die nicht der Weltoffenheit entgegensteht.