GEPUTZT WERDEN MUSS IMMER
Putzfrau Ilona Parsch hielt ihr aggressives Putzmittel nicht mehr aus. Deshalb entwickelte sie Beeta, das weltweit einzige Reinigungsmittel aus Roter Bete.
Eine schwere Zeit sei es gerade, seufzt Ilona Parsch, überall sähe man nur Krieg, Gewalt, Probleme und tief greifende Veränderungen, herrjeh, und wenn man erst an die Enkelkinder denke, was die in Zukunft alles zu stemmen hätten … Plötzlich zieht ein schelmisches Strahlen über ihr Gesicht, und dann sagt sie fast singend ihr Mantra der letzten 32 Jahre auf: »Geputzt werden muss immer!«
Parsch ist heute 68, eine 1,60 Meter große Person mit blonden wilden Locken. Das erste Mal putzte sie kurz nach Mauerfall für eine Firma aus Westdeutschland, die unter anderem Sparmärkte reinigte. Dort war sie für ein ganzes Putzteam verantwortlich. Als sich zuerst Spar und dann die Reinigungsfirma wieder aus Mecklenburg zurückzogen, ergriff die alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen die Chance und machte sich im Jahr 1995 mit einem eigenen Unternehmen selbstständig. Parsch konnte ehemalige Kolleginnen einstellen und einige Kunden übernehmen. Auf Drängen der Handwerkskammer machte sie sogar noch ihren Meisterbrief – anderthalb Jahre lang, nur an den Wochenenden, denn innerhalb der Woche mussten der neue Betrieb zum Laufen gebracht und zu Hause die Kinder versorgt werden. Doch Parsch neigt nicht zum Jammern, und außerdem schien ja im Großen und Ganzen alles zu flutschen. Bis auf einen Sachverhalt, den sie irgendwann nicht mehr länger ignorieren konnte: Ihre Gesundheit schien unter der Arbeit zu leiden, der Hals kratzte, die Augen tränten und die Haut juckte. Auch die Kolleginnen schienen an den scharfen, chemischen Mitteln zu leiden, die sie täglich nutzten. Aufgeben und erneut von vorn beginnen war für Parsch keine Option. Sie erkundigte sich überall nach weniger aggressiven Alternativen, doch man winkte nur ab: »Ohne Chemie-Keulen, also ohne chemisch produzierte Säuren oder Basen, sagten alle, bekäme man den Dreck nicht ab.«
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Ilona Parsch, die bis heute in Teutendorf lebt, eine halbe Autostunde von Rostock entfernt, fing an, sich über säurehaltige Pflanzen zu informieren. Sie suchte nach organisch produzierter Oxalsäure ohne Chlor und andere Giftstoffe. Die gründliche Recherche ergab: Nur Rhabarber, Zuckerrübe und Rote Bete könnten sich als gesundheits- und umweltschonendes Putzwunder erweisen. Rhabarber verwarf sie schnell, denn der war bereits, so die Nachforschung beim Patentamt, minimal in einem Reiniger der Firma Henkel enthalten. Sie dachte an die Rechtsabteilungen von Großkonzernen und bekam es mit der Angst. Blieben Zuckerrübe und Rote Bete. Doch der aus der Zuckerrübe gepresste Saft oxidierte und wurde schwarz. »Eine schwarze Flüssigkeit zum Reinigen? Unverkäuflich!«, feixt die kleine Frau, »also blieb für mich die Rote Bete übrig«.
Aber lässt sich aus Rote Bete, deren fiese Flecken Bekanntheit und Respekt genießen, ein Reinigungsmittel gewinnen? Ja, fand Parsch in ihrer kleinen, gemütlichen Bauernküche heraus, die zwischenzeitlich zu einem Versuchslabor mutiert war. Denn wenn der Saft der Roten Bete über längere Zeit Licht ausgeliefert ist, verliert er seine intensive rote Farbe und ist dann zwar noch leicht rosa, doch durchsichtig und klar. Und auch die Praxistests wurden bestanden: Fettiges, Angebackenes oder Verkalktes wurde mit wenigen Tropfen dieser geheimnisvollen Substanz, verdünnt mit Wasser, wieder sauber. Sogar die roten Flecken auf der Haut, die Parsch von den chemischen Mitteln immer bekam, blieben aus.
»Es hat sich damals zu ihrem Hobby entwickelt, sich in die Küche zurückzuziehen und dort zu laborieren«, erzählt Thomas Parsch (45), der ältere Sohn. Seine Mutter ergänzte das handgepresste Rote-Bete-Substrat mit etwas Zitronensäure und ätherischen Ölen – fertig war: der weltweit erste Reiniger aus Roter Bete. Das war im Jahr 2003. Zunächst putzten nur die Mitarbeiter*innen von Ilona Parsch Gebäudereinigung damit.
Während Ilona Parsch in ihrer Küche hexte, hatte sich Thomas Parsch bereits auf einen anderen Weg gemacht. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen in der Fachrichtung Reinigungs- und Hygienetechnik in Mönchengladbach und machte ein Praktikum bei der Werner & Mertz GmbH (Frosch). Nach dem Diplom kam er zurück, wie er sagt, »um Mutters Werk aus der Küche in ein wissenschaftliches Labor zu tragen«. Er übernahm die Verbesserung und Optimierung der Rezeptur unter wissenschaftlicher Kontrolle. Dafür hatte er das Exist-Seed-Gründerstipendium der Universität Rostock im Fachbereich Chemie erhalten. Danach entwickelte er die Marke und kümmerte sich um das Produktdesign. 2006 wurde das Unternehmen gegründet und die Weltneuheit Beeta konnte an den Markt gehen.
Beeta wie Bete? »Nein!«, erklärt Ilona Parsch: »Nach Ata kommt Beeta!« Um diesen Gedankengang nachvollziehen zu können, muss man wissen, dass Ata der Universalreiniger in allen Haushalten der damaligen DDR war, dessen Produktion allerdings 1991 eingestellt wurde.
»Beeta hat mein Leben verändert. Ich bin durch Beeta so viel rumgekommen und hab so nette Leute kennengelernt. Das hätte ich ohne Beeta niemals.« Deshalb genießt Rote Bete in der Familie Parsch auch außerhalb der Produktkarriere hohes Ansehen. Kein Rezept, das noch nicht ausprobiert wurde, besonders lecker sei der Likör und auch das Rote-Bete-Eis. »Macht alles mein Thermomix.« Gelbe oder weiße Bete könne übrigens mit der roten nicht mithalten.
Außerdem sammelt Ilona Parsch jegliche Gegenstände, die die Form von Rüben haben oder zumindest damit verziert sind. Geschirrtücher, Kaffeetassen und allerlei Dekor. »Sie hat sogar eine Halskette mit einem Anhänger aus Bernstein in Form einer Rübe«, sagt Sohn Hannes Parsch (35), der andere Sohn. Im Rostocker Ladenlokal der Reinigungsfirma hängt Rote Bete in Öl; gemalt von einer ehemaligen Angestellten. Auch ihren persönlichen Kleidungsstil hat Parsch dem Gemüse angepasst: Sie trägt am liebsten Rot. Auch heute hat sie einen roten Pulli, eine rote Nieten-Lederjacke und einen roten selbstgestrickten Schal gewählt. Ilona Parsch ist sehr aufgeweckt und hin und wieder fällt sie ihren Söhnen auch ins Wort. Das macht den beiden aber wenig aus, denn sie sind offensichtlich extrem stolz auf »ihre Mutti«.
Auch Hannes Parsch stieg nach seiner Ausbildung als Großhandelskaufmann ins Geschäft ein. Er übernahm zunächst das Reinigungsunternehmen mit über 30 Angestellten und machte ebenfalls seinen Meister. Vor einem Jahr fusionierten beide Teile – das Dienstleistungsunternehmen und die Beeta-Herstellung – zur Gebrüder Parsch GmbH. Die Aufgabenteilung bleibt bestehen. Hannes organisiert den Einsatz der Reinigungsdienstleistung und Thomas produziert rund 50.000 Liter Beeta im Jahr und kümmert sich um den Vertrieb. Letzterer läuft beispielsweise auch über manufactum. Kein Wunder, denn Beeta ist auch nach 16 Jahren noch immer eine echte Bio-Perle: Es ist frei von synthetischen Duft- und Farbstoffen, generell enthält es keine Stoffe auf Erdölbasis, es ist frei von Gentechnik und direkten und indirekten Tierversuchen. So schont es die Haut, die Umwelt und last but not least die zu putzenden Oberflächen. Ade Giftschrank, der sich noch in den meisten Haushalten befindet! Auch Unverpacktläden haben Beeta im Programm. Rostocker Kund*innen brächten sogar ihre leeren Flaschen zurück und tauschten sie ein. Thomas und Hannes Parsch sind durchaus zufrieden. Sie würden bewusst auf ihre Work-Life-Balance achten und wollen nicht auf Kosten von Gesundheit und Familie expandieren. Sie strahlen beide wirklich Ruhe und Eintracht aus und scheinen sich keine Sorgen um die gemeinsame Zukunft zu machen, denn: »Geputzt werden muss immer.«
Dieser Artikel erschien zuerst in taz.FUTURZWEI, Heft 23/2022.