WHO KEHRS? Oder Kehrwork
Die Geschichte von Kehrwork beginnt mit einer persönlichen Suche. Katharina Florian, 40, und ihr Mann wünschten sich Unterstützung bei der Hausarbeit. Lang schauten sie sich um – mit erschütterndem Ergebnis. „90 Prozent des Marktes sind illegale Beschäftigungsverhältnisse“, sagt Florian. „Das kam für uns nicht infrage.“ Florian trägt ein schlichtes weißes T-Shirt und einen kurzen Bob zum virtuellen Interview. Sie sitzt in ihrer Wohnung in Berlin-Pankow. In den letzten Jahren schickten verschiedene Dienstleister, die Florian und ihr Mann ausprobierten, Reinigungskräfte hier vorbei. Katharina Florian sprach mit den Menschen – eigentlich waren es immer Frauen – die zum Putzen zu ihr kamen und erkundigte sich nach deren Arbeitsbedingungen. „Es gab immer Sachen, die problematisch waren,“ sagt sie, und erzählt von Arbeitgebern, die Sprachbarrieren ausnutzen und Krankheitstage als Urlaubstage abrechneten. Von langen Fahrtwegen, die Putzkräfte zwischen ihren Einsätzen zurücklegen müssen und die nicht als Arbeitszeit zählen, was oft in einer 50-Stunden-Woche resultiere – und keine Zeit, die Lebenssituation zu ändern. „Und dann habe ich gedacht: Okay, ich will das besser machen“, sagt Florian.
Mehr Wertschätzung und mehr Sichtbarkeit für Care-Arbeit zu schaffen – das ist die Mission von Kehrwork, ein Unternehmen, das Florian im Juni 2022 gründete. Care-Arbeit, also Sorgetätigkeiten wie Pflege, Erziehung oder Reinigung, erfahren gesellschaftlich zu wenig Anerkennung. Hier verweist Florian auf Autorinnen wie Laurie Penny oder die Soziologin Nicole Mayer-Ahuja. Es ist ein Thema, für das Katharina Florian brennt. Und es ist ein feministisches Thema. Denn häufig werde Care-Arbeit von Frauen ausgeübt und nicht als Leistung anerkannt. Anders bei Kehrwork. Hier werden Reinigungskräfte fest und sozialversicherungspflichtig eingestellt, erhalten einen fairen Lohn und arbeiten maximal 30 Wochenstunden, damit ausreichend Zeit für Weiterbildung, Familie und persönliche Entwicklung bleibt.
Dieser Freiraum sei essenziell, sagt Katharina Florian. „Es geht auch um Empowerment“, sagt sie. „Um die Schaffung von Teilhabemöglichkeiten. Das ist in wenig qualifizierten Branchen ein großes Problem.“ Schon lange beschäftigt Florian sich mit theoretischen Debatten wie diesen. Viele Jahre arbeitete sie bei Edition Nautilus, einem aus linksanarchistischer Tradition gewachsenen Verlagskollektiv. Mithilfe ihres politischen Netzwerks, das sie in dieser Zeit und darüber hinaus knüpfte, kann sie ihren Kehrworker*innen Unterstützung für verschiedene Lebenslagen vermitteln. Möchte eine Arbeitskraft beispielsweise einen Sprachkurs besuchen oder eine psychosoziale Beratung wahrnehmen, wird der Dienstplan danach ausgerichtet. Insbesondere die Sprachkurse würden häufig nachgefragt, da viele Reinigungskräfte nicht Deutsch als Muttersprache haben.
Mit seinem Konzept nimmt Kehrwork Katharina Florian zufolge eine Vorreiter-Rolle im Reinigungssektor ein und schließt eine Lücke, was soziale Nachhaltigkeit betrifft. Inzwischen gebe es zwar viele Dienstleister, die – wie Kehrwork – auf chemische Reinigungsmittel verzichten, doch die Arbeitsbedingungen seien dort häufig nicht nachhaltig, da sie den Angestellten keine Möglichkeit zu Existenzsicherung und gesellschaftlicher Teilhabe böten. „Kehrwork ist auch der Versuch, herauszufinden, wie bereit wir als Gesellschaft für sozial nachhaltige Arbeitsverhältnisse sind“, sagt Florian. Dann schmunzelt sie. „Und ich ahne, dass es funktioniert.“
Im August 2022 startete Kehrwork mit seinen Dienstleistungen. Sieben Frauen sind derzeit dort beschäftigt, und die Zahl der Angestellten wächst stetig. Eine Reinigungskraft, inzwischen eine Freundin von Katharina Florian, habe die Idee von Anfang an begleitet und sie immer wieder motiviert, wenn Zweifel aufkamen. Denn die Gründung von Kehrwork ist für Katharina Florian auch ein wirtschaftliches Wagnis.
Das Unternehmen ist nicht gemeinnützig, folgt aber gewissermaßen einer antikapitalistischen Logik: „Ich will die Personalkosten nicht senken, ich will sie erhöhen“, sagt Florian. Basis der Preise von Kehrworks Dienstleistungen sind existenzsichernde Gehälter. „Dank schlanker, digitaler Prozesse können wir Unternehmenskosten und Management klein halten“, steht auf der Website. Konkret bedeutet das: Es gibt keine Büroräume, keinen Einkauf, keinen Verkauf und keine technischen Anlagen. Für die Buchhaltung arbeitet Florian mit Dienstleistern zusammen, bei denen sie „Dinge mit einem Klick erledigen kann“. Im Management ist sie derzeit noch die einzige Angestellte, demnächst soll eine Freundin mit einsteigen. Denn Florian ist viel beschäftigt mit der Betreuung von Kund*innen und Mitarbeitenden. Möchte ein Privathaushalt oder ein Gewerbe Kehrwork beschäftigen, geht Florian zunächst persönlich zu einem Kennenlerntermin vorbei.
Obwohl die Preise von Kehrwork höher sind als bei anderen Reinigungsunternehmen, will Florian nicht nur Besserverdienenden ein Angebot machen, sondern auch Menschen mit geringen finanziellen Mitteln die Möglichkeit bieten, sich im Haushalt Unterstützung zu holen. Deshalb spricht Florian bei den Kennenlernterminen mit den Interessent*innen über deren Bedarfe. „Nicht jede*r braucht wirklich ein fünf Stunden Komfortpaket, wo wöchentlich alles auf Hochglanz poliert wird“, sagt Florian. Manche würde es schon entlasten, wenn nur Böden gewischt oder vor allem Küche und Bad gereinigt werden. Allerdings: Die Grundlage müsse immer ein Stundenlohn sein, von dem Arbeitende gut leben und sich absichern können. „Und drunter machen wir’s nicht“, sagt Katharina Florian. Dabei wird ihr Ton kämpferisch, ihr Blick entschlossen.
Über vierzig Ersttermine hatte Katharina Florian in den letzten dreieinhalb Wochen. Für die nächsten zwei Monate sind alle Zeitslots ausgebucht. „Das Bedürfnis, zu wissen, dass es den Leuten, die die Arbeit machen, gut geht, ist enorm“, resümiert Florian. „Das finde ich großartig.“ Sie strahlt.
Las personas que ya tienen ayuda en el hogar pero quisieran mejores condiciones también pueden contactar a Kehrwork . Luego, Kehrwork ayuda con la clarificación de la legislación laboral, asume el puesto permanente y capacita a la ayuda doméstica, como a todos los trabajadores de Kehrwork, en sostenibilidad ecológica, técnicas de limpieza y autoorganización. El paso de la ilegalidad a la legalidad es un tema importante para Florian. Le gustaría más aclaraciones: Permitir que alguien trabaje para usted sin seguro médico, pensión ni derecho a vacaciones es simplemente irresponsable. “El trabajo doméstico no es lo que se debe hacer en la sombra”, dice Florian. „Se trata de valor y mantenimiento. Eso tiene mucho que ver con el respeto y el aprecio”.
Kehrwork se encuentra todavía en la fase inicial. Pero Katharina Florian ya está observando los primeros efectos, especialmente en las personas que trabajan para ella. „De repente se están haciendo planes“, dice Florian con ojos brillantes. Las personas que habían descuidado su salud durante años ahora asistirían a las citas médicas. De lo contrario, personas muy reservadas comenzarían a hablar sobre sus experiencias. Esto también es parte de la revolución radical: reconocer la limpieza como un trabajo importante, socialmente relevante y bueno, del que puede estar orgulloso.