MUT ZUR SPINNEREI
Wie kann man mit vorhandenen Ressourcen verantwortlich umgehen? Wie ist sinniges Leben und Arbeiten möglich? Drei junge Menschen haben diese Fragen ernst genommen. Ihre Antwort: Eine Spinnerei vom nachhaltigen Leben e.V.
Wie kann man mit vorhandenen Ressourcen verantwortlich umgehen? Wie ist sinniges Leben und Arbeiten möglich? Drei junge Menschen haben diese Fragen ernst genommen. Ihre Antwort: Eine Spinnerei vom nachhaltigen Leben e.V.
Die Baudhanchal-Selbsthilfegruppe von Tejashwi Pathak hilft Frauen im Distrikt East Uttar Pradesh dabei, aus Bananenabfällen Kunsthandwerk herzustellen und es für ihren Lebensunterhalt zu verkaufen
Schätzungen zufolge landen jährlich bis zu 12 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Weltmeeren. Die Organisation everwave widmet sich dem Problem von allen Seiten.
Ob als Taler oder Barren: Gold ist seit Jahrtausenden heiß begehrt und prägte die Welt, wie kaum ein anderer Rohstoff. Ob im antiken Rom, im Kolonialreich Spaniens oder heute an der Wall Street: Das Edelmetall verzaubert, berauscht und zerstört zugleich. In Deutschland findet das glänzende Formwunder seine häufigste Verwendung in der Herstellung von Schmuck und Geschmeide.
Pforzheim, die sonnige Stadt am Rande des Schwarzwalds, ist traditionelle Hochburg des deutschen Schmuck- und Uhrenhandwerks. In der sogenannten Goldstadt trat das Edelmetall auch in Guya Merkles Leben. Die Tochter des Schmuckdesigners Eddy Vieri Merkle lernte schon früh den Schmuck-Rummel der Edelsteinmessen und Champagnerabende kennen. Heute kratzt die 32-Jährige an der Fassade aus Prunk und Protz, auf der Suche nach neuem Glanz.
Doch vorerst hatte sie anderes im Sinn. In Potsdam studierte sie Entrepreneurship. Gerade erwachsen, wollte die 21-Jährige am liebsten sozial etwas bewegen und fing im Berliner betterplace lab an. Doch die Schmuckwelt holte Merkle wieder ein. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters übernahm sie den familiären Betrieb. Ohne praktische Erfahrung in der Unternehmensführung und dem Schmuckhandwerk begann sie ihr einst kindliches Umfeld neu zu entdecken. Zur Professionalisierung ging es nach London zum GIA, dem Gemological Institute of America, der Kaderschmiede für heutige Edelsteinkundlerinnen und Goldspezialisten. Das Gemeinwohl im Blick, stellte sich Merkle schnell die Frage, wo und vor allem unter welchen Bedingungen das Gold für ihren Schmuck gefördert wurde. Das GIA half in dieser Hinsicht wenig weiter, weshalb Merkle kurzerhand bei fairtrade anrief.
Auf Goldsuche
Damals, 2009, hatte die Organisation für fairen Handel gerade erst angefangen sich für das Thema Gold zu interessieren. Sie lud Merkle auf eine Reise in eine peruanische Mine ein. Und so ging es, trotz Flugangst, nach Lima und weiter über holprige Straßen in Richtung Goldminengemeinde. Eine Reise, die den Grundstein der merkleschen Unternehmensphilosophie ins Rollen brachte. Landschaftlich sei das „tolltolltoll“ gewesen, aber am Ende der Straße wartete auf über 3.000 Metern über Normalnull ein Slum. Merkle wurde von Essen und Trinken abgeraten, weil die Wasser- und Lebensmittelqualität an diesem Ort zu schlecht seien. Die Probleme waren omnipräsent: grassierende Armut, schwere Arbeitsbedingungen und extreme Belastung der Gesundheit sowie der Umwelt, durch Quecksilber. Das Übergangsmetall ist essenziell in der klassischen Goldgewinnung und verwandelt nicht nur Goldstaub in Nuggets, sondern vergiftet auch Mensch und Umwelt in Windeseile.
Merkle sah sich alles an: sie stieg in die Mine, sprach mit den Menschen und – vom Hunger geplagt – aß vom Essen. Was sie von ihrem Besuch mitnahm? Ungläubigkeit – „Liebe Schmuckindustrie, das kann nicht dein Ernst sein!“ – und eine Lebensmittelvergiftung.
Die soziale Ader
Goldminen wie diese: nicht mit Merkle! Soviel stand fest. In Deutschland wartete aber schon der Zweifel. Wie könnte es anders gehen? Wie „Papas Lebenswerk“ weiterführen? Auf jeden Fall sollte die Öffentlichkeit von den Missständen erfahren. Merkle gründete eine Stiftung, die Earthbeat Foundation. Sie sollte ein Sprachrohr sein, für Goldminen, ihre Arbeiterinnen und Angehörige. Weltweit hängen über 100 Millionen Menschen von Goldminen ab.
Mit Freunden von Viva con Agua kam eine Reise nach Uganda zustande. Die Earthbeat Foundation knüpfte erste Kontakte zu einer Goldminengemeinde und lokalen Aktivisten und drehte einen Film. Das allein reichte nicht: „Da bist du erst ein Hoffnungsträger und dann schnell wieder weg.“ Earthbeat wollte bleibende Hilfe schaffen und organisierte neue Ausrüstung für die Arbeit in der Mine. Doch als die Arbeiter die Helme, Sicherheitsschuhe und Brillen anzogen, lachten sie nur über den Ballast und sagten: „Das machen wir niemals, da brauchen wir 20 Mal länger“.
Der Fehler wurde klar: Die Bedingungen in der Mine waren der falsche Ansatzpunkt. Der Gemeinde fehlte es an alternativen Einkommensquellen. Die Menschen schürfen Gold, weil sie keine andere Optionen haben. Deshalb müssen sie das Risiko von Verschüttung und Quecksilbervergiftung auf sich nehmen und für Goldnachschub zu Tiefstpreisen sorgen. Geld verdienen nur die anderen Perlen der Lieferkette.
Ein „Learning“ aus der Anfangsphase, resümiert Merkle. Deshalb fokussiert sich die Stiftung heute auf das Schaffen von Erwerbsalternativen. Sie fördert Permakulturgärten, deren Pflanzen den kontaminierten Boden säubern, spendet Ziegen und unterrichtet im Imkerhandwerk. Die Earthbeat Foundation hat den Goldminen per se den Kampf angesagt. Fairtrade-Minen zu bauen, sei zu komplex, erklärt Merkle. Der Markt sei zu kompliziert, um transparent zu werden. Im Zweifel bleibe die Armut. Das Ziel also: keine Menschen mehr unter Tage.
Auch aufklären möchte die Stiftung weiterhin, aber es sei einfacher in Uganda Fortschritte zu erzielen, als hierzulande auf Konsumentenseite etwas zu bewegen. Merkle muss es wissen, denn als Unternehmerin setzt sie sich nach wie vor täglich mit Konsum auseinander. Ihr Familienbetrieb besteht weiterhin. Ein paar Umstrukturierungen hat er allerdings hinter sich. Nach Merkles Vater benannt, heißt die Firma jetzt Vieri und produziert ausschließlich Schmuck aus recyceltem Gold. Dafür gibt es Scheideanstalten, die das Edelmetall aus Handys, Laptops, und altem Schmuck zurückgewinnen.
Merkle vereint Vieles, was konträr erscheint. Als Schmuckdesignerin ist sie gegen Goldminen und auch als Unternehmerin lässt sie Ungewohntes verlauten: „weniger Konsum!“ Das ist ihr Credo. Sie selbst trage wenig Schmuck. Ihr Büro in Berlin teilt sie mit anderen. Und am liebsten verschenkt Merkle Zeit, schöne Erlebnisse und Emotionen. Schmuck, das seien letztendlich auch nur Gegenstände, an denen sich Emotionen aufhängen. Ein Luxus, den niemand wirklich braucht, der aber schön sein kann. Warum manchen Leuten egal ist, wo diese Gegenstände herkommen, begreift Merkle nicht: „Man kann doch nichts Luxus nennen, wenn man weiß, dass daran die Welt zu Grunde geht.“
Der neue Luxus
Die kleine Firma findet mit ihren Grundsätzen breiten Anklang. Mit der Kampagne #VieriWoman stellt das Unternehmen Frauen vor, die sich für Vieri Schmuck und dessen Ideale begeistern lassen. Darunter sind auch prominente Namen, z.B. der der Bloggerin und Journalistin Kübra Gümüşay. Darüber freut sich Merkle: „Ich hab ganz großartige Kunden“. Und es sei nicht nur eine Oberschicht, die sich ihren ethisch korrekten Schmuck leiste. Mitunter werde auch acht Monate auf eine neue Kette gespart.
Mit der fruchtbaren Mischung aus Unternehmen und Stiftung soll es auch in Zukunft weitergehen. Für Earthbeat in andere Länder und hoffentlich zur ersten kompletten Stilllegung einer Mine. Für Vieri in den Handel, um mit den herkömmlichen Produkten um die Wette zu blitzen und zu Diskussionen anzuregen. Und Merkle? Die hat noch Größeres vor: „Ich würde gerne wirklich das Wirtschaftssystem auf den Kopf stellen“.
Na dann, Luxus für alle!